Der Deutsche Tierschutzbund nimmt die Bundesregierung in die Pflicht und mahnt die Umsetzung der tierschutzpolitischen Versprechen aus dem Koalitionsvertrag an. Dazu gehört auch das Versprechen, während der Legislaturperiode eine Reduktionsstrategie zu Tierversuchen vorzulegen und die Erforschung und Umsetzung von Alternativen zu stärken. Nun wurde bekannt, dass im Haushalt 2024 für die angekündigte Strategie erstmals Mittel in Höhe von einer Million Euro bereitgestellt werden sollen. Für die nachfolgenden Haushalte sei eine weitere Million vorgemerkt. Ziel der Mittel sei vor allem die Etablierung tierversuchsfreier Methoden.*
„Es ist sehr zu begrüßen, dass die Regierung die Problematik erkannt hat und Mittel bereitstellt, um Tierversuche gezielt zu reduzieren – auch, wenn dies nur ein erster Schritt ist“, kommentiert Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. „Die versprochene Strategie sollte nicht nur eine Reduktion, sondern den kompletten Ausstieg aus Tierversuchen zum Ziel haben. Wir erwarten, dass tierversuchsfreie Wissenschaft zukünftig mit höchster Priorität gefördert wird, um den überfälligen Ausstieg in den verbliebenen zwei Jahren der Legislaturperiode anzustoßen.“
Hürden für tierleidfreie Alternativen abbauen
Tierversuche gelten in Forschung und Wissenschaft noch immer als vermeintlicher Goldstandard. „Sie haben sich etabliert, weil es in der Vergangenheit an Alternativen fehlte, Tiere schlichtweg einfach verfügbar waren und andere ethische Maßstäbe galten“, erklärt Tilo Weber, Fachreferent für Alternativmethoden zu Tierversuchen beim Deutschen Tierschutzbund. Über die Hälfte der zuletzt 1,86 Millionen Versuchstiere kommt in der Grundlagenforschung zum Einsatz. Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes ist es daher essentiell, tierversuchsfreie Verfahren bei der Vergabe von Fördermitteln zu priorisieren und attraktive finanzielle Anreize für Wissenschaftler zu schaffen, die sich mit dem Ersatz von Tierversuchen befassen. Auch müsse darüber aufgeklärt werden, dass Versuche an Tieren nicht allein aus ethischer, sondern auch aus wissenschaftlicher Sicht abzulehnen sind: „Die Ergebnisse lassen sich nur schwer auf den Menschen übertragen, da sich Tiere beispielsweise in Lebensweise und -dauer, Körperbau, Stoffwechsel, Erbgut oder Reaktion des Immunsystems unterscheiden“, so Weber. Dies müsse – ebenso wie die Anwendung von tierversuchsfreien Verfahren – zukünftig auch Thema in Ausbildung und Lehre sein.
Bestehende Hürden für tierversuchsfreie Methoden gilt es auch bei gesetzlich vorgeschriebenen Tests zur Risikobewertung, etwa von Chemikalien, abzubauen. „Für die Akzeptanz von tierversuchsfreien Tests werden hier sehr hohe und teils unrealistische Maßstäbe angelegt. Häufig werden selbst gute, einsatzfähige tierversuchsfreie Methoden nicht zeitnah angewandt, weil die gesetzlichen Rahmenbedingungen dies nicht ermöglichen, weil sie den Verantwortlichen nicht bekannt sind oder die technischen oder personellen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Manchmal werden auch vielversprechende Ansätze nicht weiterentwickelt, weil die Finanzierung von Folgeprojekten oder von Anerkennungsverfahren fehlt oder nicht möglich ist“, kritisiert Tierschützer Weber.
* Quelle: Pressemitteilung von Dr. Zoe Mayer, MdB (Bündnis 90/Die Grünen) zur Finanzierung einer Tierschutz-Reduktionsstrategie vom 29.09.2023
Hinweis an die Redaktionen: Mit der aktuellen Kampagne „Jetzt mehr Tierschutz!“ erinnert der Deutsche Tierschutzbund die amtierende Bundesregierung an ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag – darunter das Vorlegen einer Reduktionsstrategie zu Tierversuchen und die Stärkung tierversuchsfreier Alternativen: www.jetzt-mehr-tierschutz.de/tierversuche