Französische Bulldoggen, Nacktkatzen und Co.Qualzucht bedeutet lebenslanges Leid für Tiere
Ob Mops, Französische Bulldogge oder Schottische Faltohrkatze: Viele beliebte Haustierrassen sind Qualzuchten. Die Tiere müssen ein qualvolles Leben ertragen, denn wegen ihrer jahrelangen Zucht auf bestimmte Merkmale bekommen sie schwer Luft, sind taub oder allgemein krankheitsanfälliger. Menschen verursachen dieses Leid, indem sie sich Hunde, Katzen und weitere Heimtiere nach ihren optischen Wünschen „designen“.
Was viele Halter*innen niedlich finden, ist für die Tiere eine Qual: Um bei Hunden, Katzen und Co. optische Merkmale wie Kulleraugen, ein bestimmtes Fellmuster oder eine flache Schnauze zu erreichen, nehmen Menschen Tierleid in Kauf. Da vielen das Aussehen von Qualzuchtrassen gefällt, können Züchter*innen solche Tiere immer weiter vermehren. Das Bewusstsein für das damit einhergehende Leid fehlt in der Gesellschaft weitestgehend. Social-Media-Trends und Prominente mit solchen „angesagten“ Haustieren verstärken die Nachfrage nach Qualzuchten zusätzlich.
Was bedeutet Qualzucht?
Mit Qualzucht ist gemeint, dass Tiere aufgrund ihrer angezüchteten Merkmale ein Leben mit Schmerzen und Schäden führen. Menschen stellen dabei ihre Vorlieben in den Vordergrund und züchten Hunde, Katzen und andere Tiere, bis sie ihren Vorstellungen entsprechen. Dabei werden einzelne Merkmale weggezüchtet, andere wiederrum hervorgehoben. Damit beeinflussen Züchter*innen die Gesundheit, Verhaltensweisen und die natürliche Anpassungsfähigkeit der Tiere. Im Laufe der Jahre haben sich die Zucht- und Rassestandards immer mehr in Richtung Extremformen entwickelt. Die Leidtragenden sind die Tiere.
Kurzköpfige Hunde bekommen schwer Luft
Dunkle, große Kulleraugen, extrem flache Schnauze, runder Kopf und kurze Beine: Hunde wie der Mops oder Französische und Englische Bulldoggen gelten als Moderassen und begeistern Menschen mit ihrem Aussehen, das dem Kindchen-Schema entspricht. Doch für das vermeintlich niedliche Erscheinungsbild bezahlen diese Hunde mit ihrer Gesundheit. Kurzköpfige Hunde haben oft mit Haut-, Ohren- und Augenproblemen sowie Kiefer- und Zahnfehlstellungen zu kämpfen. Der Großteil leidet unter Atemnot. Diese kann beim Rennen, höheren Temperaturen und Belastungen, die anderen Hunden noch vergleichsweise leichtfällt, gefährlich werden. Da Hunde nicht über die Haut schwitzen und Wärme abgeben können, regulieren sie ihre Körpertemperatur über das Hecheln. Durch ihre verengten Nasenlöcher müssen kurzköpfige Hunde zusätzlich stärker atmen. Daher vertragen sie Hitze nicht gut, schniefen, schnarchen, haben Schlafprobleme und sind schnell außer Atem. Insbesondere im Sommer ist es nicht ungewöhnlich, dass diese Hunderassen kollabieren und versterben. Aufgrund des kompakten Körperbaus liegen außerdem Wirbelsäulenfehlstellungen vor, die häufig zu Bandscheibenvorfällen führen.
Hunderassen mit Augenproblemen
Hunderassen wie Bernhardiner, Cocker Spaniel und Basset Hound leiden unter Augenproblemen, da bei ihnen besonders häufig ein Auswärtsrollen des unteren Augenlidrandes vorkommt. Die Tiere können ihre Lider nicht richtig schließen und leiden deshalb unter Tränenfluss, Bindehautentzündungen und in der Folge an Hornhautveränderungen.
Faltohrkatzen haben massive Knochenschäden
Katzen wie die Scottish Fold wurden so gezüchtet, dass sie nach vorne abgeknickte Ohren haben. Hinter den gefalteten Ohren steckt eine schwere Erbkrankheit, die das Knochen- und Knorpelgewebe verändert – und zwar nicht nur an den Ohren. Dieser Gendefekt schädigt Knochen und Knorpel im gesamten Körper, insbesondere in den unteren Extremitäten und verursacht massive dauerhafte Schmerzen und Leiden. Darum bewegen sich betroffene Tiere häufig nur ungern, springen und spielen nicht. Oftmals müssen die Tiere bereits in jungen Jahren durch eine Tierärztin oder einen Tierarzt von ihrem Leid erlöst werden. Die Ohren sind für Katzen überaus wichtig, um sich mit ihren Artgenossen zu verständigen und ihre Stimmungen auszudrücken. Faltohrkatzen können daher nicht richtig mit anderen Katzen kommunizieren.
Bengal und Co.: Hybridkatzen sind keine Haustiere
Immer mehr Bengal- und Savannah-Katzen ziehen in unsere Haushalte ein. Die Zucht solcher sogenannten Hybridkatzen ist höchstproblematisch: Wildkater werden mit weiblichen Hauskatzen zwangsverpaart. Für die weibliche Katze bedeutet das Schmerzen und Stress. Durch den Größenunterschied und den Nackenbiss wird sie dabei häufig verletzt. Ihre Nachkommen können drei- bis viermal größer sein als normale Katzenwelpen. In der ersten Generation kommt es fast immer zu Notkaiserschnitten sowie Schwer- und Totgeburten. Für das Muttertier kann das lebensgefährlich sein. Da Kater bis zur dritten Generation steril sind, kommen bei der Verpaarung auch in späteren Generationen oft noch Wildkater zum Einsatz. Zieht eine Hybridkatze in ein neues Zuhause ein, ist das für viele Halter*innen eine Herausforderung. Die meisten unterschätzen die Wildtiereigenschaften der Katzen: Sie haben einen starken Jagdtrieb, sind nacht- und dämmerungsaktiv und können dieses Verhalten auch noch in späteren Generationen zeigen. Aufgrund der unklaren Ausprägung der Wildtiereigenschaften ist die tier- und artgerechte Haltung dieser Katzen kaum bis schwer möglich. Dies kann zu Verhaltensproblemen führen.1
Nacktkatzen und -hunde sind stark eingeschränkt
Nacktkatzen wie die Sphynx haben weder Fell noch Tasthaare. Die Haarlosigkeit ist auf einen durch Zucht herbeigeführten Gendefekt zurückzuführen und sorgt für großes Leid. Denn die Tiere können sich so nicht vor Sonne, Kälte oder Nässe schützen. Dies trifft auch auf Nackthunde zu. Das Fehlen der Tasthaare kommt dem Verlust eines Sinnes gleich – die Katzen können sich kaum orientieren. Darüber hinaus haben Haare eine Schutzfunktion für Augen und Gesicht, die den Nacktkatzen fehlt. Mit Artgenossen und anderen Tieren können Katzen ohne Fell und Tasthaare nur schwer kommunizieren. Talg, der über die Haut abgesondert und normalerweise durch die Haare aufgefangen wird, sammelt sich vermehrt an und führt zu Unwohlsein und Entzündungen.
Weiße Katzen sind oft taub
Weiße Katzen sind häufig schwerhörig oder taub – betroffen sind verschiedene Rassen, beispielsweise Perser, Türkische Angora sowie Russian White. Die Hörprobleme hängen vor allem mit der Zucht auf das W-Gen zusammen, wodurch die weiße Fellfarbe erzeugt wird. Katzen mit weißem Fell sind auch anfälliger für Hauttumore. Viele dieser Tiere haben blaue oder verschiedenfarbige Augen und leiden zusätzlich unter Netzhautveränderungen, Augenzittern oder Schielen.
Qualzucht bei kleinen Heimtieren
Neben Hunden und Katzen gibt es auch Qualzucht unter anderen Tierarten. Dazu zählen beispielsweise Angorakaninchen aufgrund ihrer unnatürlich langen Haare oder Widderkaninchen, die wegen ihrer hängenden Ohren unter schmerzhaften Ohrenentzündungen leiden. Auch Meerschweinchen sind betroffen. Die besondere Färbung oder Struktur des Fells von Schimmeln, Dalmatinern sowie Rex- und Satinmeerschweinchen gehen mit krankhaften Veränderungen wie Missbildungen einher. Langhaarmeerschweinchen führen ein beschwerliches Leben, da sie ihr Fell nicht mehr selbst pflegen können. Nacktmeerschweinchen haben ein extrem schwaches Immunsystem und sind ohne Fell und Tasthaare in ihrem Leben enorm eingeschränkt.
Auch Fische und Reptilien von Qualzucht betroffen
Qualzuchten bei Vögeln betreffen unter anderem die Haubenwellensittiche. Fast die Hälfte ihrer Nachkommen hat massive gesundheitliche Probleme. Viele sterben, weil sich Flüssigkeit in ihrem Gehirn ansammelt, die Gehirnblutungen verursachen kann. Sittiche, die lebensfähig sind, haben häufig Gleichgewichtsstörungen. Unter Fischen zählen Eierfische, also Goldfische ohne Rückenflosse, Berliner Guppys, deren Flossen ein Leben lang wachsen, und Goldfische, die nur nach oben schauen können, sogenannte Himmelsgucker, zu den Qualzuchten. Sie sind in ihrer Schwimmfähigkeit eingeschränkt oder können sich durch ihr verändertes Sichtfeld deutlich schlechter orientieren. Absurde Züchtungen finden sich auch in Terrarien. Morphe sind Reptilien, die sich in Farbe, Musterung oder Hautstruktur vom ursprünglichen Wildtyp unterscheiden. Beliebte Exemplare sind jene, denen einzelne Farbpigmente fehlen. Das exotische Äußere begünstigt Tumore und macht die Haut empfindlich gegenüber lebensnotwendigen UV-Strahlen.
Rechtliche Situation in Deutschland zu schwammig
Das Tierschutzgesetz ist in Sachen Qualzucht bisher nicht eindeutig genug. Eigentlich sind diese Züchtungen laut Tierschutzgesetz verboten, wenn dadurch bei den Tieren erblich bedingt Körperteile oder Organe fehlen, diese untauglich oder umgestaltet sind und somit Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten. Behörden haben jedoch aufgrund dieser vagen Definition Schwierigkeiten, die Qualzuchten rechtlich zu verfolgen. Doch es gibt Fortschritte: Der aktuelle Entwurf für ein neues Tierschutzgesetz sieht eine Erweiterung und Konkretisierung des „Qualzuchtparagraphen“ vor.
EU-weite Regelungen sind notwendig
Auf EU-Ebene gibt es derzeit keine Gesetzgebung zur Haltung und Zucht von Heimtieren. Deshalb gab es bislang leider auch keine europaweit einheitliche Regelung zu Qualzuchten, worüber jedoch immer wieder diskutiert wurde. Sind keine EU-Verordnungen vorhanden, entscheidet das nationale Gesetz. In Deutschland wird das Thema Qualzucht durch das Tierschutzgesetz und in einem Punkt für Hunde durch die Tierschutz-Hundeverordnung geregelt. Das Qualzuchtverbot (TierSchG § 11b) bleibt jedoch in der Umsetzung vage und individuell. Lediglich für einzelne Zuchten wurden Zuchtverbote angeordnet und durchgesetzt. In anderen Ländern ist man hier weiter: In den Niederlanden wurden beispielsweise in den letzten Jahren strengere Regeln für manche Rassen eingeführt. Dort ist unter anderem die Zucht von Hunden oder Katzen mit extrem kurzen Schnauzen mittlerweile vollständig verboten.
Obwohl manche Länder strengere Vorschriften haben, gibt es oftmals Schwierigkeiten bei der Durchsetzung. Manche Züchter*innen umgehen die Regeln, indem sie Tiere aus anderen Ländern kaufen. Oft werden auch nur gewerbliche Zuchten ab einer bestimmten Tierzahl durch die Veterinärämter überprüft, sodass „Hobbyzüchter*innen“ gar nicht erst kontrolliert werden. Hinzu kommt, dass das Thema Qualzucht oftmals nur für Hunde und Katzen öffentlich diskutiert wird. Dabei leiden alle Tierarten, auch Pferde, kleine Heimtiere, Ziervögel und die Tiere in der Landwirtschaft unter den Folgen. Es bedarf daher einer Regelung für alle Tierarten. Auf EU-Ebene wurde im vergangenen Dezember zum ersten Mal ein Verordnungsentwurf zum Schutz von Hunden und Katzen und deren Rückverfolgbarkeit vorgelegt. Dieser Entwurf stellt einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar, weil er u.a. einen Absatz bezüglich der Qualzucht von Hunden und Katzen enthält.
Das fordert der Deutsche Tierschutzbund
Die von Qualzucht betroffenen Tiere leiden unter ihren Krankheiten. Deshalb fordern wir:
- Eine rechtlich verbindliche Verordnung, die klar definiert, was als Qualzucht gilt. Mit unserem Entwurf für eine Qualzuchtverordnung zeigen wir, wie diese aussehen sollte.
- Ein Verbot für die Zucht, die Haltung, den Import und den Verkauf von Qualzuchten.
- Ein härteres Durchgreifen der Kontrollbehörden.
- Die Schaffung einer EU-weit einheitlichen Regelung für die Haltung und Zucht von Heimtieren.
- Ein klares Verbot von Qualzuchten in allen EU-Staaten.
Qualzucht Evidenz Netzwerk QUEN
Das Qualzucht Evidenz Netzwerk QUEN bietet eine Übersicht über zuchtbedingte sichtbare oder verdeckte Defekte betroffener Tierrassen. Die Informations-Datenbank ist eine Zusammenarbeit verschiedener Tierschutzorganisationen, Amtstierärzt*innen und Fachtierärzt*nnen zum Ausbau einer Datenbank hinsichtlich der Merkmale von Qualzuchten, um das bestehende Qualzuchtverbot (§11b Tierschutzgesetz) besser umsetzen zu können. Die erstellten Merkblätter, Gerichtsurteile etc. sind für jeden einsehbar und können frei verwendet werden. Ebenso kann direkt Kontakt aufgenommen werden, wenn Hilfe in einem konkreten Fall notwendig ist.