Kleiner Waschbär an Baum

Darum kämpfen Nutrias, Waschbären und Co. mit VorurteilenInvasive Arten: Alle Infos zu den gebietsfremden Tieren

Tierarten wie Nutria, Nilgans oder Waschbär zählen in der EU zu den sogenannten invasiven Arten. Der Umgang mit ihnen ist oft von Vorurteilen geprägt und alles andere als tierschutzgerecht. Meist setzen Behörden auf die Jagd.

Was sind gebietsfremde und invasive Arten?

Eine sogenannte gebietsfremde Tierart ist nicht von allein über Grenzen gewandert oder geflogen. Sie wurde von Menschen absichtlich oder versehentlich aus ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet heraus in ein anderes, fremdes Gebiet oder Land gebracht und hat es geschafft, dort zu überleben und sich anschließend fortzupflanzen. Als invasive Arten gelten Tiere dann, wenn sie sich in dem neuen Umfeld ausbreiten und sich das wiederum auf heimische Arten auswirkt – zum Beispiel, indem sie um Nahrung und Lebensräume konkurrieren. Somit wird ihnen nachgesagt, die heimischen Ökosysteme zu gefährden. Teilweise geht es aber auch um wirtschaftliche Schäden, die sie verursachen sollen.

Welche Tierarten werden als invasiv bezeichnet?

Zu den bekanntesten Tierarten, die in der Europäischen Union und in Deutschland als invasiv vorverurteilt werden, gehören Waschbären, Nilgänse und Nutrias.

Die anderen 43 Tierarten, die diesen Stempel derzeit tragen und als gefährlich für hiesige Tiere, Pflanzen oder Menschen gebrandmarkt werden, sind in der Unionsliste der invasiven Arten gelistet:

  • Neuseelandplattwurm
  • Wollhandkrabbe
  • Amerikanischer Rostkrebs
  • Kamberkrebs
  • Viril-Flusskrebs
  • Goldene Muschel
  • Signalkrebs
  • Roter Amerikanischer Sumpfkrebs
  • Marmorkrebs
  • Tropische Feuerameise
  • Rote Feuerameise
  • Schwarze Feuerameise
  • Asiatische Hornisse
  • Kleine Feuerameise
  • Hirtenmaina 
  • Schwarzer Zwergwels
  • Axis-Hirsch
  • Pallas-Schönhörnchen
  • Finlayson-Hörnchen
  • Argus-Schlangenkopffisch
  • Glanzkrähe
  • Zebra-Killifisch
  • Westlicher Mosquitofisch
  • Östlicher Mosquitofisch
  • Kleiner Mungo
  • Kettennatter
  • Sonnenbarsch
  • Amerikanischer Ochsenfrosch
  • Amerikanischer Seebarsch 
  • Chinesischer Muntjak
  • Roter Nasenbär
  • Marderhund
  • Bisam
  • Schwarzkopf-Ruderente
  • Amurgrundel
  • Gestreifter Korallenwels
  • Blaubandbärbling 
  • Rußbülbül
  • Grauhörnchen
  • Fuchshörnchen
  • Sibirisches Streifenhörnchen
  • Heiliger Ibis
  • Buchstaben-Schmuckschildkröte
  • Krallenfrosch

Warum sind sogenannte invasive Arten unerwünscht?

Die EU-Kommission befürchtet einerseits, dass invasive, gebietsfremde Arten – sowohl Tiere als auch Pflanzen – die biologische Vielfalt in der Staatengemeinschaft bedrohen. Dies wäre der Fall, wenn sie andere Tier- und Pflanzenarten verdrängen. Andererseits haben diese Tiere und Pflanzen teilweise auch den Ruf, Krankheiten zu übertragen oder Schäden in der Landwirtschaft zu verursachen.

Sind invasive Arten so gefährlich wie ihr Ruf?

Nicht alle Tiere sind so gefährlich für die heimischen Arten, wie ihnen nachgesagt wird. Nutrias beispielsweise können grabend und fressend neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere schaffen1 . Es gibt bislang auch keine Bestätigung dafür, dass etwa Nilgänse heimische Wasservögel verdrängen2 oder mehr Krankheiten als andere Wildvögel übertragen. Das gilt auch für Waschbären, die keine erhöhte Krankheitsgefahr bedeuten, und Menschen grundsätzlich nicht angreifen, solange sie sich nicht bedroht fühlen.

Hund im Tierheim Freundeskreis in Rumänien liegt auf Holzboden und schaut traurig in die Kamera
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Wie kommen invasive Arten nach Deutschland?

Viele der als invasiv geltenden Arten in Europa haben Menschen einst aus anderen Teilen der Welt eingeführt, entweder zum Vergnügen oder um Geld mit ihnen zu verdienen. Sie haben sie unter anderem importiert, um sie jagen zu können, ihren Pelz zu nutzen, sie in Zoos auszustellen und sie als Haustiere zu handeln oder zu halten. Waschbären und Nutrias beispielsweise konnten sich erst in Deutschland verbreiten, nachdem sie Anfang des 20. Jahrhunderts aus Pelztierfarmen und Gehegen entkommen waren. Manche Tiere wurden auch unabsichtlich eingeschleppt. Etwa die Chinesische Wollhandkrabbe. Sie ist als blinder Passagier in den Ballast-Wassertanks von Schiffen mitgereist. Durch den weltweiten Handel eröffnen sich viele weitere Wege, sodass sich neue Arten ausbreiten können.

Wie gehen Behörden gegen invasive Arten vor?

In der EU ist seit 2015 eine eigene Verordnung in Kraft, die die „Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung“ dieser Arten behandelt. Im schlimmsten Fall steht „managen“ darin jedoch für „töten“. In der Jagdsaison 2021/2022 haben Jäger*innen nach offiziellen Angaben allein in Deutschland über 200.000 Waschbären und fast 95.000 Nutrias geschossen. Auch Zehntausende Nilgänse, die sich längst bei uns eingelebt haben, sterben jährlich im Fadenkreuz. Um zu verhindern, dass weitere Tiere, die zu den invasiven Arten zählen, in die EU gebracht werden, führt die Staatengemeinschaft die Unionsliste. Personen dürfen die darauf gelisteten Arten nicht absichtlich in die EU importieren, hier züchten oder transportieren.

10000
Zehntausende Nilgänse wurden in der Jagdsaison 2021/2022 in Deutschland getötet.
200000
Waschbären haben Jäger*innen nach offiziellen Angaben in Deutschland in 2021/2022 geschossen.
95000
Nutrias starben in Deutschland in der Jagdsaison 2021/2022.

Was kann jede*r Einzelne tun?

Am allerwichtigsten ist es, Konflikte zwischen Mensch und Tier zu vermeiden. Bei Tierarten wie Nutria, Waschbär oder Nilgans ist es ein großer Schritt, diese nicht zu füttern. In vielen Fällen geschieht dies auch unbeabsichtigt durch weggeworfene oder zurückgelassene Lebensmittel. 

Es ist möglich, mit sogenannten gebietsfremden und als invasiv geltenden Arten, die in Deutschland bereits weit verbreitet sind, friedlich zu leben.

Was bedeutet die EU-Verordnung für Privatleute?

Private Halter*innen, die Tiere der Unionsliste schon vor 2015 gepflegt haben, dürfen dies auch weiterhin bis zum Lebensende der Tiere. Sie müssen jedoch sicherstellen, dass sie weder in die freie Natur entwischen noch sich vermehren können. Sie dürfen grundsätzlich keine neuen Tiere der Liste anschaffen und ihre Tiere auch nicht abgeben oder transportieren. Tiere aus Tierheimen aufzunehmen, kann jedoch gestattet sein.

Was bedeutet die EU-Verordnung für Tierheime?

Viele dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossene Tierheime erhalten immer wieder Anfragen zur Aufnahme von jungen oder verletzten Waschbären. Die Tierschutzvereine haben allerdings nicht genügend Kapazitäten, um den Wildtieren eine artgerechte Haltung zu ermöglichen. Trotzdem müssen sie die Tiere dauerhaft aufnehmen, auch wenn sie sie gesund gepflegt haben. Denn im Gegensatz zu Füchsen oder anderen heimischen Tierarten die sie oft wieder freilassen können, dürfen sie die als invasiv geltende Arten nicht wieder auswildern. Meist bleibt den Tierschützer*innen nur die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen und zu prüfen, welcher Verein die Tiere langfristig versorgen kann. Auf den Kosten für die Versorgung dieser Tiere bleiben Tierheime und Auffangstationen sitzen.

Kampagne
Kampagnenmotiv, auf dem ein Hund und eine Katze nebeneinandersitzend und vor schwarzem Hintergrund den Kopf schieflegen
Tierheime helfen. Helft Tierheimen

In unserer Kampagen zeigen wir welch tolle Arbeit Tierheime leisten - alles rund um die Tierheimarbeit und um die einzigartigen Tiere, die hier auf ein neues liebevolles Zuhause warten.

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Das fordert der Deutsche Tierschutzbund

Der Tierschutz muss oberste Priorität haben. Die Jagd auf die als invasiv geltenden Tiere ist tierschutzwidrig und dazu auch noch erfolglos. Wenn Jäger*innen Waschbären, Nutrias und Nilgänse töten, siedeln sich schnell neue Tiere an. Es wäre tiergerechter und nachhaltiger, möglichst viele Tiere zu kastrieren und Eier auszutauschen. So leben die Tiere weiterhin in ihren Revieren, ohne sich jedoch zu vermehren. Die EU-Staaten sollten zudem Tierarten, die noch nicht so verbreitet sind, überwachen, um früh zu erkennen, wann sie vorbeugend eingreifen müssen. Zudem sollte es Tierheimen und Auffangstationen künftig erlaubt sein, die Tiere kastriert auszuwildern oder in erfahrene Hände abzugeben.

Grundsätzlich ist es richtig, dass Tiere nicht mehr eingeführt, gezüchtet und gehandelt werden dürfen, wenn sie die heimische Tierwelt gefährden können. Damit der Handel mit potenziell invasiven Wildtieren strenger geregelt und eingeschränkt wird, fordert der Deutsche Tierschutzbund eine Positivliste. Statt jede Menge Tierarten aufzulisten, die verboten sind, benennt sie die Tierarten, die für die Privathaltung geeignet und für den Handel freigegeben sind. Eine Positivliste ist viel kürzer und übersichtlicher als die bislang existierenden Negativlisten. Das macht es den Behörden leichter, sie zu überwachen und anzuwenden.

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Quellen

Schütz, M. (2016). Burrowing animal activities on dyked rivers -investigation of effects and measures (in German: "Wühltiertätigkeit an eingedeichten Fließgewässern -Untersuchungen zu Auswirkungen und Maßnahmen"). Diploma thesis. Institute of Hydraulic Engineering and Technical Hydromechanics, Technische Universität Dresden, Dresden, Germany Van der Steen, H. (2018). Muskrat and bisam control in the Netherlands (in German: Bisam und Nutria Bekämpfung in den Niederlanden). Presentation. Duderstadt, Germany

Geberth, A. (2011): Verhaltensbiologische Untersuchungen zum Einfluss der Nilgans (Alopochen aegyptiacus) auf andere Wasservögel während der Brutzeit. Vogel & Umwelt – Zeitschrift für Vogelkunde und Naturschutz in Hessen 19, 59-66.

Kenmogne, B. & Schindler, W. (2011): Das Aggressionsverhalten der Nilgans (Alopochen aegyptiacus) und dessen Auswirkungen auf andere Wasservogelarten im Stadtgebiet von Frankfurt am Main. Vogel und Umwelt Band 19. Hessisches Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz.

 

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