Tierversuche für Lebensmittel

Eine graue Maus sitzt auf vielen Maiskörnern. © Javier Castro/Fotolia.com
© Javier Castro/Fotolia.com

Neuartige Lebensmittel (Novel Food), Gentechnisch Veränderte Organismen (GVO), Lebensmittelzusatzstoffe (E-Nummern) – all dies sind Bestandteile unserer Nahrung oder des Futters für Tiere in der Landwirtschaft. Diese drei Gruppen erscheinen so unterschiedlich und haben doch eine Gemeinsamkeit, die den meisten Verbrauchern nicht bewusst ist: Viele wurden in Tierversuchen getestet.  

Herstellerfirmen können Tierversuche durchführen, etwa um ihre Produkte gewinnbringender zu vermarkten oder intern auf gesundheitliche Auswirkungen zu testen. Beispielsweise wurden Chia-Samen an Hühner verfüttert, um mögliche Auswirkungen auf die Fettzusammensetzung der Eier und des Fleisches herauszufinden. Die Giftigkeit eines Fruchtsafts mit dem Superfood Açaí-Beeren wurde anhand von Ratten untersucht. Bei Lebensmittelzusatzstoffen erwarten die Zulassungsbehörden den Nachweis, dass sie gesundheitlich unbedenklich sind. Diese Untersuchungen werden in der Regel mittels Tierversuchen durchgeführt. 

Für gentechnisch veränderte Pflanzen werden Fütterungsversuche an Tieren durch EU-Recht sogar gesetzlich vorgeschrieben, um eventuelle schädliche Effekte auf die Gesundheit zu untersuchen. Seit 2018 erwartet die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) derartige Tierversuche auch bei der Zulassung von Novel Food, ausgenommen sind dann bloß traditionelle Lebensmittel aus Drittländern.

Diese Fütterungsversuche werden zumeist an Ratten oder Mäusen durchgeführt. Bis zu 90 Tage lang wird den Tieren der zu untersuchende Stoff ins Futter bzw. ins Trinkwasser gemischt oder sogar zwangsweise direkt in den Magen gepumpt. Am Ende aller Versuche müssen die Tiere sterben und die Forscher untersuchen ihre Organe.

Keine Sicherheit für Verbraucher

Fütterungsversuche sind ethisch fragwürdig, weil sie Tod und Leiden von Tieren für rein kommerzielle Zwecke billigend in Kauf nehmen. Und sie schaffen letztlich nicht die erhoffte Sicherheit für Anwender und Verbraucher: Sie erbringen lediglich den Nachweis, wie Nagetiere auf diese Lebensmittel reagieren. Weder zeigen sie, dass der menschliche Körper genauso damit umgeht, noch belegen sie umgekehrt, dass Bestandteile, auf die diese Tiere nicht reagieren, auch für den Menschen unbedenklich sind.

Interessanterweise gilt für tierische Erzeugnisse wie Milch, Fleisch oder Eier keine Kennzeichnungspflicht, wenn die Tiere gentechnisch manipulierte Futtermittel erhielten. Bei Sojabohnen, eine der wichtigsten Futterpflanzen, lag der weltweite GVO-Anteil schon im Jahr 2015 bei 83 Prozent.

Bei gentechnisch veränderten Pflanzen besteht zusätzlich das Risiko, dass sie sich negativ auf das Ökosystem auswirken. Dies kann nicht durch das Verfüttern an Nagetiere herausgefunden werden. 

Der Deutsche Tierschutzbund fordert moderne, tierleidfreie Methoden, um die Giftigkeit und mögliche schädliche Auswirkungen von Futter- und Lebensmitteln zu untersuchen, wie beispielweise Tests in Zellkulturen und Computersimulationen der Pflanzen- bzw. Stoffbestandteile.

Begriffserklärungen

Gentechnisch Veränderter Organismus (GVO)

Ein Organismus, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt. Obwohl gentechnisch veränderte Pflanzen in Deutschland nicht angebaut werden dürfen, erhalten Tiere hierzulande in landwirtschaftlichen Betrieben bereits importiertes GV-Pflanzen-Futter.

Lebensmittelzusatzstoff

Ein Stoff mit oder ohne Nährwert, der in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird und einem Lebensmittel aus technologischen Gründen zugesetzt wird, z. B. Steviolglycoside (E 960) als Süßungsmittel, extrahiert aus den Blättern der Stevia-Pflanze.

Novel Food (engl. für Neuartiges Lebensmittel)

Alle Lebensmittel, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Zutreffen kann dies neben Lebensmitteln aus/von Tieren (z. B. Insekten), Pflanzen, Mikroorganismen, Pilzen und Algen auch auf Lebensmitteln mit neuer oder gezielt veränderter Molekularstruktur, technisch hergestellte Nanomaterialien, Zell- und Gewebekulturen (z. B. in-vitro-Fleisch) sowie Lebensmittel von geklonten Tieren.

Auch traditionelle Lebensmittel aus einem Drittland außerhalb der Europäischen Union fallen darunter. Solche Lebensmittel sollten in mindestens einem Drittland mindestens 25 Jahre lang als Bestandteil der üblichen Ernährung einer bedeutenden Anzahl von Personen verwendet worden sein. Gentechnisch veränderte Lebensmittel gelten seit April 2004 nicht mehr als Novel Food. Manche neuartigen Lebensmittel werden auch als „Superfood“ vermarktet. 

Superfood

Ein reiner Marketingbegriff für Lebensmittel, denen ein sehr positiver („super“) Einfluss auf die Gesundheit zugeschrieben wird, z. B. einheimische Nutzpflanzen wie Brokkoli oder Heidelbeere, aber auch exotischere wie Chia-Samen (letztere fallen gesetzlich unter die Bezeichnung „Novel Food“).