Affenleid in Tübingen

Schockierende Bilder einer Undercover-Recherche von Tierschützern belegen die immensen Schmerzen, Leiden und Ängste, denen Affen im Bereich der Hirnforschung am Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik in Tübingen ausgesetzt waren (STERN TV berichtete am 10. und 17.09.2014). Nach Recherchen von STERN TV vom Dezember 2016 sollten die Versuche entgegen den Beteuerungen des Institutsleiters aus dem Jahr 2015 weiter gehen.
Doch tatsächlich zeigte der Druck der Öffentlichkeit Erfolg: Die Affenversuche wurden im April 2017 eingestellt. Aber von den zuletzt zehn verbliebenen Tieren musste ein Affe noch in den letzten Tagen im Versuch sterben. Und die Torturen für die neun letzten überlebenden Affen gehen weiter. Fünf Affen gingen an die Neurologische Abteilung der Katholischen Universität Leuven in Belgien, wo sie mit Sicherheit für weitere Versuche „genutzt“ werden. Die anderen Bestimmungsorte der übrigen Affen werden verschwiegen. Nach unserem Kenntnisstand hat sich das Max-Planck-Institut (MPI) jedoch nicht bemüht, für die Tiere andere Lösungen zu finden. Damit ist die Chance, den Affen wenigstens noch eine tiergerechte Unterbringung zu bieten, vertan.
Hinzu kommt: Die Affenversuche waren zwar beendet, dafür gingen die Experimente am Max-Planck-Institut Tübingen an anderen Tieren weiter – statt an Affen an Ratten. Klar muss aber sein: Es gibt keine Tiere zweiter Klasse, die Versuche an Ratten sind ebenfalls grausam. Die Landesregierung muss dringend ein Konzept zum Totalausstieg aus Tierversuchen vorlegen und alternative tierversuchsfreie Methoden fördern.
Was wir tun
Versuche wie die beschriebenen finden jedoch nicht nur in Tübingen statt. Seit Jahren haben wir exemplarisch massiv gegen die Hirnversuche an Affen an der Universität Bremen Front gemacht. Neben diesen Aktivitäten setzen wir uns auch seit langem gegen die grausamen Versuche in Tübingen ein. Schon im Rahmen einer Expertenanhörung im baden-württembergischen Landtag 2012 hat der Deutsche Tierschutzbund deutlich gemacht, dass die Tübinger Versuche ethisch nicht vertretbar sind. Der ehemalige Leiter unserer Akademie für Tierschutz, Roman Kolar, war im Jahr 2013 Hauptredner auf einer Demonstration gegen die Affenversuche in Tübingen. Aufgrund des Verdachts der Tiermisshandlungen haben wir im November 2014 Anzeige gegen drei Mitarbeiter des MPI Tübingen gestellt.
Strafbefehle gegen Affenforscher beantragt
Im Anschluss an die TV-Ausstrahlung 2014 haben wir gemeinsam mit unserem Landestierschutzverband Baden-Württemberg in eindringlichen Schreiben an die verantwortlichen Minister Bonde und Bauer appelliert. Zusätzlich haben wir aufgrund der vorliegenden Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und die Genehmigungsauflagen auch rechtliche Schritte gegen das MPI Tübingen in die Wege geleitet und Strafanzeige erstattet.
Unsere Strafanzeige trug dazu bei, dass die Tübinger Staatsanwaltschaft das MPI im Januar 2015 durchsuchte und Unterlagen prüfte. Basierend darauf wurden im Februar 2018 wegen des Vorwurfs der Tiermisshandlung Strafbefehle gegen drei verantwortliche Mitarbeiter beantragt, darunter auch der Leiter des Tübinger MPI, Prof. Dr. Nikos Logothetis. Als direkte Reaktion auf den Strafbefehl entzog die Max-Planck-Gesellschaft Prof. Dr. Logothetis die Erlaubnis, bis zum Abschluss des Verfahrens Tierversuche durchzuführen oder anzuleiten.
Prozess abgesagt
Ende 2018 erfolgte jedoch ein herber Rückschlag für den Tierschutz: Der für den Jahresbeginn 2019 angesetzte Prozess gegen die angeklagten Mitarbeiter des MPI Tübingen wurde unerwartet abgesagt, das Verfahren vorläufig eingestellt. Die Max-Planck-Gesellschaft erlaubte Prof. Logothetis damit sogar wieder, Tierversuche durchzuführen und anzuleiten.
Die Verteidigung der Angeklagten hatte offenbar ein Gutachten eingereicht, welches zu dem Schluss kommt, dass die Affen nicht misshandelt wurden. Das Gutachten wird allerdings unter Verschluss gehalten. Aus unserer Sicht ist es eine absolute Schande, dass die für das Leid der Tübinger Affen verantwortlichen nun ohne Strafe davonkommen. Wir werden daher weiter Druck auf Politik und Wissenschaft ausüben, damit eine Strategie erarbeitet wird, wie aus Tierversuchen ausgestiegen werden kann.
2020 wurde bekannt, dass Prof. Logothetis das MPI verlässt und Versuche an genmanipulierten und potentiell sogar geklonten Affen in China fortzuführen plant. Das MPI für Biologische Kybernetik in Tübingen soll hingegen neu ausgerichtet werden und setzt den Forschungsschwerpunkt nun im Bereich Künstlicher Intelligenz.
Misshandlungen der Affen
Die Bilder des STERN TV-Berichts von 2014 zeigten Affen, die sich aufgrund der Auswirkungen eines Eingriffs am Gehirn andauernd übergaben. Affen, die mit Gewalt aus ihrem Käfig gezerrt wurden. Andere, die sich panisch in den sogenannten Affenstühlen, in denen sie später für die Versuche am Kopf fixiert werden, immer wieder im Kreis drehten. Affen, deren Operationswunden sich entzündeten und die sich selbst die frischen OP-Nähte aufrissen. Affen, die verzweifelt an den Gitterstäben lecken, um nach der Reinigung der kahlen Käfige zurückgebliebene Wassertropfen zu erhaschen.
Um die Tiere für die Versuche gefügig zu machen, gibt man ihnen tagelang nichts zu trinken. Erst im Versuch, wenn sie sich kooperativ verhalten, bekommen sie ein paar Tropfen Flüssigkeit - meist Fruchtsaft, der den Durst noch steigert. Mit der von Forschern oftmals behaupteten „Freiwilligkeit“ und „Bereitschaft“ der Tiere, bei den Versuchen mitzumachen, hat all das nichts zu tun. Ebenso wenig passt es zu den Beteuerungen von Politikern, Behördenvertretern und Forschern, das deutsche Tierschutzgesetz sei geradezu vorbildhaft streng und würde zuverlässig vor Tierquälereien schützen.
Der Nutzen der Forschung, für die diese Tiere missbraucht werden, ist mehr als fragwürdig. Im Angesicht des hier öffentlich gemachten unaussprechlichen Leides von Tieren, wirkt es wie blanker Hohn, dass solche Eingriffe von den Forschern, Gerichten und auch Behörden als geringe oder mäßige Belastungen angesehen werden.