Ferkelkastration

Das Tierschutzgesetz soll Tiere schützen. Leider gilt das bisher immer noch nicht für viele Millionen männliche Ferkel, die in Deutschland jährlich chirurgisch kastriert werden. Der Grund für die Entfernung der Hoden ist der für manche Menschen unangenehme Geruch und Geschmack ("Ebergeruch"), den das Fleisch von Ebern - also unkastrierten männlichen Mastschweinen - haben kann. Denn in den Hoden von Ebern wird ein Geschlechtshormon produziert, das zusammen mit anderen Substanzen zu geruchlichen und/oder geschmacklichen Abweichungen im Fleisch führen kann.
Untersuchungen zeigen jedoch, dass der Anteil der geruchsauffälligen Tiere je nach Betrieb bei nur fünf bis zehn Prozent der Eber liegt. Außerdem ist die Sensibilität der Verbraucher gegenüber Ebergeruch ganz unterschiedlich und es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Risiko dafür zu minimieren sowie durch bestimmte Verarbeitungsprozesse eine gute Lebensmittelqualität zu gewährleisten.
Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration seit Januar 2021
Das deutsche Tierschutzgesetz schreibt in Paragraph 5 vor, dass ein schmerzhafter Eingriff bei einem Wirbeltier nicht ohne Betäubung durchgeführt werden darf. Bis Ende 2020 ließ es allerdings die Ausnahme zu, dass Ferkel bis zu ihrem siebten Lebenstag ohne Betäubung kastriert werden durften.
Mit der Änderung des Tierschutzgesetzes 2013 wurde die Kastration ohne Betäubung nur noch übergangsweise bis 31.12.2018 erlaubt. Mit Mehrheit der Abgeordneten der CDU, CSU, SPD und der AfD wurde aber infolge massiven Drucks aus der Branche Ende 2018 im Deutschen Bundestag entschieden, die Qualen der betäubungslosen Ferkelkastration um weitere zwei Jahre zu verlängern.
Seit dem 1. Januar 2021 ist die Kastration von Ferkeln ohne Betäubung nach einer Übergangfrist von insgesamt über sieben Jahren nun endlich verboten. Auch wenn dieses lang umkämpfte Verbot ein wichtiger Schritt für den Tierschutz darstellt, ist noch viel Luft nach oben. Denn auch unter Betäubung handelt es sich bei der chirurgischen Kastration um einen aus veterinärmedizinischer Sicht nicht notwendigen Eingriff, der mit Stress und Risiken fürs Tier (Nachbluten, Wundinfektionen und möglichen weiteren negativen Folgen für die Tiergesundheit) verbunden ist.
Auch die Betäubungsverfahren selbst haben ihre Risiken und Nachteile. So würde durch den Verzicht auf den Eingriff nicht nur der Stress fürs Tier reduziert, sondern auch potentielle Nachteile für die Tiergesundheit.
Alternativen sind verfügbar
Mit der Ebermast und der Impfung gegen Ebergeruch (Immunokastration) stehen seit Jahren zwei unblutige Verfahren zur Verfügung, die auch in Deutschland praxistauglich sind. Aus Tierschutzsicht ist die Unversehrtheit der Tiere zu bewahren oberste Priorität. Das bedeutet im Fall der Ferkelkastration, dass das Mästen unkastrierter Eber oder die Immunokastration (minimalinvasiv) die bevorzugten Methoden sein sollten.
Eber haben zwar etwas höhere Ansprüche an Haltung und Management, die Ebermast ist aber die kostengünstigste und arbeitswirtschaftlichste Variante, da Eber eine deutlich höhere Futterverwertung haben als Kastraten. Leider gibt es jedoch von manchen Vermarktungs- und Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen noch Vorbehalte wegen des erhöhten Aufwands zur Feststellung möglichen Ebergeruchs sowie zur Verarbeitung von geruchsauffälligem Fleisch. Infolgedessen fehlen den Landwirten langfristige Abnahmegarantien sowie faire Preise – beides entscheidende Voraussetzungen für die Umstellung auf die Mast unkastrierter Eber.
Eine weitere Alternative, um auf die chirurgische Kastration zu verzichten und trotzdem das Risiko des Ebergeruchs auszuschließen, ist die Impfung gegen Ebergeruch. Hierbei wird die Hormonproduktion der Eber nach dem Wirkprinzip einer Impfung unterdrückt. Die Methode wird bereits in Deutschland und vielen anderen Ländern erfolgreich durchgeführt und ist mit einer zweimaligen Injektion unter die Haut im Vergleich zur operativen Kastration eine sehr tierschonende Variante.
Die geimpften Tiere verhalten sich zum Ende der Mast wie kastrierte Schweine (deutlich ruhiger als Eber), was das Risiko für tierschutzrelevante Verletzungen deutlich reduziert. Die Verarbeitungsqualität des Fleisches ist ebenfalls mit der von kastrierten Tieren vergleichbar, die Futterverwertung deutlich verbessert. Es bestehen keine Risiken für die Fleischqualität. Auch bei dieser Methode gilt es noch, Hemmnisse und Vorbehalte im Handel und der verarbeitenden Branche abzubauen, damit so viele Eber wie möglich von dieser tiergerechten Methode profitieren können.
Betäubungsverfahren bei Kastration
Trotz der bestehenden unblutigen Alternativen wird der Großteil der männlichen Ferkel in Deutschland nach wie vor chirurgisch kastriert. Der überwiegende Teil wird mittels Inhalationsnarkose mit Isofluran betäubt. Dieses Betäubungsverfahren wird grundsätzlich als das geeignetste unter den zulässigen Betäubungsverfahren beurteilt, allerdings nur bei Durchführung durch einen Tierarzt. Auch hier hat die Branche Druck auf die Politik ausgeübt, sodass 2020 eine Verordnung erlassen wurde, welche die Durchführung durch Landwirte nach einem Sachkundeerwerb ermöglicht.
Die Voraussetzungen dafür sind jedoch unzureichend, um eine zuverlässig wirksame und sichere Betäubung ohne Risiken für Tier und Anwender sicherzustellen. Auch bei Durchführung durch den Tierarzt sollte die Isoflurannarkose nur eine zeitlich begrenzte Übergangslösung darstellen, da die Risiken des chirurgischen Eingriffs für das Tier bestehen bleiben. Außerdem spielen auch Umwelt- und Klimaschutzgründe eine Rolle, da es sich um einen teilhalogenierten Kohlenwasserstoff handelt (ozonschädigend, Treibhausgaseffekt).
Die anderen zulässigen Betäubungsverfahren (Injektionsnarkose mit Ketamin und Azaperon und Lokalanästhesie mit Procain) sind beide nur durch Tierärzte durchführbar, eignen sich jedoch aufgrund ihrer Risiken nicht für die Betäubung zur Ferkelkastration: Die Injektionsnarkose führt zu einem langen Nachschlaf, der ein erhöhtes Risiko für tiergesundheitliche Nachteile bis hin zu erhöhten Saugferkelverlusten mit sich bringt. Hier muss besonderer Aufwand in der postoperativen Versorgung der Ferkel aufgebracht werden. Die Lokalanästhesie ist aufgrund ihrer begrenzten Wirksamkeit und der zusätzlich hohen Schmerzbelastung durch die Injektionen ins Hodengewebe aus Tierschutzsicht abzulehnen.
Fazit
Aufgrund der oben genannten Risiken für das Tier sowie Bedenken hinsichtlich Ökologie und Anwendersicherheit sollte baldmöglichst komplett auf den chirurgischen Eingriff verzichtet werden. Die Akzeptanz und Umsetzung der unblutigen Alternativen Ebermast und Impfung gegen Ebergeruch müssen intensiv gefördert werden.