Ein Straßenhund steht mit hängendem Kopf auf einer Straße
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Tötungen von Straßentieren Türkei nimmt Hunde ins Visier von Joscha Duhme

In der Türkei leben Straßenhunde seit Ende 2024 besonders gefährlich. Die Behörden versuchen nicht nur, die vier Millionen frei lebenden Hunde auf gerade einmal 110.000 Tierheimplätze wegzusperren. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen sie sie auch einschläfern – das legitimiert das willkürliche Töten.

Wer schon einmal Urlaub in der Türkei gemacht hat, ist bei einem Spaziergang sicherlich auch Straßenhunden begegnet. In zahlreichen Orten gehören die Tiere dort zum Stadtbild. Schätzungen zufolge leben vier Millionen Hunde in der Türkei auf der Straße – ohne Zuhause. Mitten in den Städten und Dörfern ernähren sie sich von Essensresten und suchen nach sicheren Schlafplätzen. Meist versorgt niemand die Hunde medizinisch. So ist für sie ohnehin jeder Tag ein reiner Überlebenskampf. Doch seit 2024 hat sich die Situation der Straßentiere in der Türkei noch weiter verschärft.

Die Lage der Straßenhunde in Zahlen

4000000
Straßenhunde

Etwa viel Millionen Straßenhunde gibt es aktuell in der Türkei.

110000
Tierheimplätze

Nur rund 110000 Tierheimplätze sind zur Unterbringung aller Straßenhunde vorgesehen. 

Gesetz erlaubt Einschläfern von Hunden

Auf Initiative von Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat die Türkei eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht. „Sie ist ein massiver Rückschritt für den Tierschutz. Seitdem geht die Türkei vehement gegen Straßenhunde vor“, berichtet Lisa Hoth-Zimak, Referentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund. Kommunen müssen sie in Tierheimen unterbringen.

Eine Formulierung im neuen Gesetz erlaubt, Straßenhunde in der Türkei zu töten. Das ist offiziell nur für aggressive und kranke Hunde erlaubt. Aber wann ein Hund so eingestuft und getötet wird, ist nicht genau definiert.
Portrait von Lisa Hoth-Zimak
Lisa Hoth-Zimak Referentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund

Brutaler Umgang mit Straßenhunden

Seitdem das Gesetz in Kraft ist, gibt es immer mehr Informationen und Bilder, die den grausamen Umgang mit Hunden in der Türkei dokumentieren. Die Tiere werden brutal eingefangen. „Wir kennen die Situation aus anderen Ländern: von Tierheimen kann man kaum sprechen, wenn auf die etwa 110.000 Plätze vier Millionen Straßenhunde verteilt werden sollen. Es herrschen dann verheerende Zustände“, berichtet Hoth-Zimak. Im Internet kursieren sogar Fotos toter Straßenhunde. Auch Berichte über misshandelte Tiere und ein radikales Vorgehen gegen Tierschützer*innen sind zu finden. „Dabei müssen wir die Aufnahmen natürlich auch immer kritisch hinterfragen. Nicht alles, was Szenen aus der Türkei zeigen soll, stammt auch wirklich daher.“

Türkei ignoriert Tierschutz

Der Deutsche Tierschutzbund hatte versucht, die Gesetzesänderung zu verhindern. Gemeinsam mit seinem europäischen Dachverband, der Eurogroup for Animals, argumentierte er für eine tierfreundliche Lösung. Er kontaktierte das türkische Landwirtschafts- und Forstministerium, die deutsche Botschaft in der Türkei, die türkische Botschaft in Deutschland und die deutsch-türkische Parlamentarier*innengruppe im Bundestag. Keine der angesprochenen Stellen reagierte auf die Forderungen des Verbandes und zahlreicher türkischer Tierschützer*innen.

Protest durch Boykott ausdrücken

„Statt auf Argumente des Tierschutzes zu reagieren, hat die Türkei die Regelungen und den Umgang mit Hunden sogar noch verschärft“, erklärt die Expertin. Sie steht dazu im Austausch mit dem türkischen Tierschutzverein Datça Dogs. Er gehört dem Deutschen Tierschutzbund an. Das dortige Team berichtet, dass Gemeinden mit Strafen rechnen müssen, wenn sie das Gesetz nicht umsetzen. Von umgerechnet 2.000 Euro für jeden halterlosen Hund auf der Straße ist die Rede. Der Versuch, einen Gesprächstermin mit dem Tourismusminister der Türkei zu vereinbaren, blieb erfolglos. Da die dortige Tourismusbranche 2024 zufriedenstellende Zahlen verzeichnete, bestand auf türkischer Seite kein Interesse. Wir rufen daher dazu auf, Urlaube in der Türkei vorerst zu meiden.

Hunde kastrieren statt einschläfern

Die türkische Regierung weiß, dass sie die Populationen von Straßentieren auch tierfreundlich und nachhaltig verringern kann. Das Gesetz vor der Änderung sah dazu nämlich das Prinzip „Fangen, Kastrieren, Freilassen“ vor. „Dass es nicht verhindern konnte, dass sich die Hunde in der Türkei derart vermehren, liegt daran, dass das Gesetz dort nicht konsequent umgesetzt und finanziell gefördert wurde“, erläutert Hoth-Zimak. Dabei kann das Konzept erfolgreich, wirksam und nachhaltig sein. Das zeigen wir seit über 20 Jahren durch die Arbeit in unserem Tierschutzzentrum Odessa in der Ukraine und neuerdings bei unserem Modellprojekt in Rumänien.

Straßenhund schleppt eine Mülltüte im Maul
Auslandstierschutz unterstützen

Wir setzen uns auch für verwahrloste und leidende Tiere in entfernten Teilen Europas ein. Dort helfen wir u.a. bei Kastrationsaktionen und Versorgung von Straßentieren. Bitte unterstützen Sie unseren Kampf gegen das Leid von Straßentieren mit einer Spende.

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Tötungen sind grausam und ineffektiv

Die Zahl der Straßenhunde verringert sich nicht effektiv, wenn Behörden die Tiere einfangen und verwahren oder gar töten lassen. „Einerseits gelingt es nie, alle Hunde auf einmal einzufangen. Und andererseits sind maßgeblich freilaufende oder ausgesetzte Tiere aus Privathand für den ständigen Nachschub verantwortlich. Das wird dabei nicht berücksichtigt“, sagt Hoth-Zimak.

Der Einsatz für die Tiere geht weiter

Das türkische Verfassungsgericht hat im Mai 2025 die Annullierungsklage der Oppositionspartei CHP gegen das Gesetz zum Umgang mit Straßenhunden abgewiesen. Um den Straßentieren in der Türkei und in anderen Ländern zu helfen, setzen wir uns weiterhin über die Grenzen hinaus für ihren Schutz ein. Dazu arbeiten wir intensiv mit lokalen und internationalen Tierschutzorganisationen zusammen. Außerdem betreiben und fördern wir Aufklärungsarbeit. Wir suchen aktuell den Austausch mit der türkischen Tierärzteschaft und setzen weiter auf den Dialog mit Politiker*innen. Dabei werben wir unnachgiebig und eindrücklich dafür, Tiere aus privater Haltung zu kastrieren und Straßentiere zu fangen, zu kastrieren, zu impfen und anschließend in ihrem gewohnten Revier wieder freizulassen. Das empfehlen auch Institutionen wie die Weltgesundheitsorganisation oder die Weltorganisation für Tiergesundheit. Damit das Töten der Hunde in der Türkei ein Ende hat und die Tiere auf den Straßen nicht mehr leiden müssen.

Was Sie tun können

Verzichten Sie auf einen Türkei-Urlaub. Das setzt die türkische Regierung unter Druck. Klären Sie Ihr Umfeld über das Leid der Hunde in der Türkei auf. Da die Kosten für Adoptionen von Tieren aus der Türkei enorm gestiegen sind und das System dadurch noch mehr befeuern, rät der Deutsche Tierschutzbund davon ab. Stattdessen können Sie den Verband und Tierschutzprojekte wie die Datça Dogs im Kampf gegen das Leid von Straßentieren unterstützen. In vielen Ländern sind wir aktiv und leisten nicht nur Aufklärungsarbeit. Wir helfen auch bei Kastrationsaktionen und der Versorgung von Straßentieren. Mit Ihrer Spende helfen Sie, die Tiere zu schützen.

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