Warum lustige Tiervideos problematisch sein könnenSo leiden Tiere in sozialen Medien
Süß, emotional oder zum Schmunzeln: Tiere begeistern Menschen nicht nur im echten Leben, sondern auch in den sozialen Medien – und bringen Millionen Klicks. Vor allem Katzenvideos machen uns Menschen glücklich. Doch nicht immer sind die beliebten Inhalte harmlos. Das Internet ist voll von tierschutzwidrigen Videos und Fotos.
Auf den ersten Blick erscheinen vermeintlich lustige Tiervideos auf YouTube, TikTok, Instagram und Co. einfach amüsant. Sie werden mit positiven Reaktionen überschüttet und zigmal geteilt. Viele merken dabei jedoch nicht, dass hinter den Inhalten Tierleid steckt.
Beliebte Tierarten in sozialen Medien
Tierischer Content kursiert nahezu auf allen Social-Media-Plattformen. Neben Katzen, Hunden und kleinen Haustieren wie Hamstern sind auch alle möglichen anderen Tiere sehr beliebt in sozialen Netzwerken. Dazu zählen beispielsweise Schweine, Kälber, Hühner oder auch Wildtiere wie Igel, Füchse und Waschbären. Insbesondere Inhalte von Tierbabys bekommen viel Zuspruch.
Unkritische Darstellung von Qualzuchten
Qualzuchten wie Möpse, Französische Bulldoggen oder Scottish-Fold-Katzen sind auf Sozialen Netzwerken sehr beliebt und verbreitet. In der Regel thematisieren die Besitzer*innen nicht, dass es sich um Qualzuchtrassen handelt und die Hunde und Katzen aufgrund der Folgen ihrer angezüchteten Merkmale unter schweren gesundheitlichen Problemen leiden. Follower*innen können durch diese unkritische Darstellung animiert werden, sich ebenfalls ein solches Tier bei Züchter*innen zu kaufen.
Kurzköpfige Hunde haben oft mit Haut-, Ohren- und Augenproblemen sowie mit Kiefer- und Zahnfehlstellungen zu kämpfen. Ein Großteil leidet zudem unter Atemnot.
Hinter den gefalteten Ohren von Scottish-Fold-Katzen steckt eine schwere Erbkrankheit, die das Knochen- und Knorpelgewebe im gesamten Körper verändert und so massive dauerhafte Schmerzen verursacht.
Schlimme Praxis: Inszenierte Tierrettungen
Videos von Tierrettungen sind extrem populär auf Social Media – aber nicht alle davon sind real. In einigen Clips bringen Personen Tiere absichtlich in gefährliche oder sogar lebensbedrohliche Situationen, um sie anschließend möglichst spektakulär zu retten. Beispielsweise werden Tiere mit heißem Teer übergossen, einem Würgeschlangenangriff ausgesetzt oder in Gewässer gelassen, obwohl sie nicht schwimmen können. Echte von gefakten Rettungen zu unterscheiden, ist für die meisten User*innen kaum möglich. Nur manchmal entlarven sich die Urheber*innen dieser Videos selbst, indem sie Tiere oder Settings mehrfach einsetzen oder die vermeintlichen Retter*innen öfter auftauchen. Für die betroffenen Tiere ist es immer eine grausame Tortur, diese leidvollen Situationen zu durchleben.
ChecklisteProblematische Tiervideos erkennen
Da Videos in den sozialen Medien häufig nur wenige Sekunden dauern und viele Zuschauer*innen die Körpersprache und Bedürfnisse der gezeigten Tiere nicht richtig lesen können, ist es für Lai*innen nicht immer direkt erkennbar, ob ein Tier leidet. Daher schauen und verbreiten Nutzer*innen oft Inhalte, ohne zu wissen, dass diese problematisch sind. Hier sind einige Kriterien, auf die Sie achten können:
- Künstliche oder bedrohliche Situationen: Die Tiere sollten nicht künstlich in Szene gesetzt oder in bedrohliche Situationen gebracht werden. Am besten fotografieren oder filmen Halter*innen ihre Tiere im Alltag, ohne den normalen Tagesablauf ihres Schützlings zu stören.
- Gestresste Körpersprache: In den Videos und auf den Fotos sollten Tiere keine weit geöffneten Augen beziehungsweise geweiteten Pupillen haben, den Blick oder den gesamten Körper abwenden, züngeln oder sich klein machen.
- Gestresstes Verhalten: Wenn ein Tier flüchtet, aggressiv reagiert oder ängstliches, verharrendes Verhalten zeigt, fühlt es sich unwohl.
- Keine Informationen zu Qualzucht: Schauen Sie bei Accounts, die Tiere mit Qualzuchtmerkmalen zeigen, genau hin. Wird das Tier ohne reflektierte Informationen oder Kritik über Qualzüchtungen präsentiert, sollten Sie die Inhalte nicht liken, teilen oder kommentieren, um den Algorithmus des Beitrags nicht zu unterstützen. Je mehr Aufmerksamkeit solche Rassen erhalten, desto leichter wird die Nachfrage verstärkt.
- Kostüme, Kleidung, Accessoires: Die Tiere sollten keine Kostüme, sonstige Kleidung oder Accessoires tragen, da sie dadurch in ihrem natürlichen Verhalten eingeschränkt werden.
- Wildtiere sind tabu: Wildtiere wie beispielsweise die oft gezeigten Weißbauchigel haben nichts auf Social Media verloren, da sie nicht in eine Haustierhaltung gehören und private Halter*innen ihre Bedürfnisse nicht erfüllen können.
Was sind Petfluencer*innen?
Sogenannte Petfluencer*innen sind Tiere mit einem eigenen Social-Media-Account, die ähnlich wie menschliche Influencer*innen aufgrund ihrer Präsenz im Netz viele Follower*innen haben. Es können aber auch Menschen sein, die auf ihrem Account fast ausschließlich Inhalte rund um ihr eigenes Haustier zeigen. Die Halter*innen veröffentlichen unter anderem gesponserte Beiträge, in denen sie auch Produkte bewerben und damit Geld verdienen. Erfolgreiche Accounts erhalten teilweise Tausende Euro pro Posting.
Aus Tierschutzsicht bewerten wir diesen Trend kritisch, da mit wachsender Reichweite auch der Druck steigen kann, Inhalte zu liefern, die die Community unterhalten. Es besteht die Gefahr, dass das Wohl des Tieres in den Hintergrund rückt und es darunter leidet, ständig für Fotos und Videos zu posieren oder gar zu etwas gezwungen zu werden. Nicht selten handelt es sich bei den Petfluencer*innen um Qualzuchten.
Was Sie gegen tierschutzwidrige Inhalte tun können
Alleine das Anschauen tierschutzwidriger Videos sorgt dafür, dass der Inhalt weiterverbreitet wird. Liken, Disliken, Kommentieren – egal ob positiv oder negativ – sowie das Teilen von Beiträgen pushen den Algorithmus und sorgen für noch mehr Reichweite.
Unterstützen Sie keine Petfluencer*innen-Accounts, die offensichtlich nicht das Wohl der Tiere in den Vordergrund stellen.
Melden Sie bedenkliche Inhalte oder geben Sie an, dass Sie solchen Content nicht mehr sehen möchten, um die Plattformen auf unerwünschte Inhalte hinzuweisen.
Negative Konsequenzen für Tierheime
Durch die emotionale Anziehungskraft von viralen Videos können User*innen sich unüberlegt ein Tier anschaffen, wie z.B. einen Hund oder eine Katze mit Qualzuchtmerkmalen. Wenn sie sich vorab nicht über die Verantwortung, die Bedürfnisse des Tieres und potentielle Kosten informiert haben, können sie überfordert sein und das Tier im Tierheim abgeben wollen. Tierheime sind ohnehin schon überfüllt und arbeiten am Limit.
Virale Videos zeigen oft Tiere in besonders niedlichen oder außergewöhnlichen Momenten, was bei User*innen unrealistische Erwartungen wecken kann. Wenn die Schützlinge nicht so perfekt und unterhaltsam sind wie die Tiere in den Videos oder Verhaltensauffälligkeiten zeigen, können Halter*innen überfordert sein und die Tiere im Tierheim abgeben wollen.
Wenn bestimmte Tiere durch virale Videos besonders viel Aufmerksamkeit erhalten, könnten weniger "medienwirksame" Tiere übersehen werden. Dies kann dazu führen, dass Tiere, die ebenfalls dringend ein Zuhause benötigen, länger im Tierheim bleiben.
Positive Konsequenzen für Tierheime
Tierschützer*innen und Petfluencer*innen können über ihre reichweitenstarken Kanäle auf Hunde, Katzen und Co. aus Tierheimen aufmerksam machen und zeigen, dass diese genauso liebenswert sind wie alle anderen Tiere.
Virale Tiervideos erreichen viele Menschen und können Probleme und Missstände aufzeigen oder das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Tieren in Tierheimen stärken.
Das fordert der Deutsche Tierschutzbund
Wir fordern die Betreiber*innen der Social-Media-Plattformen, härter bei tierschutzwidrigen Inhalten durchzugreifen. Dank der weltweiten Proteste von Tierschützer*innen verbieten mittlerweile einige der großen Plattformen wie Meta, TikTok und Snapchat Tierquälerei über ihre Gemeinschaftsstandards. Jedoch löschen sie tierschutzwidrige Inhalte noch immer nicht konsequent. Diese vermeintlichen Bekenntnisse zum Tierschutz sind kaum überzeugend.