Ein Mann hält eine Legehenne an ihren Beinen. Er trägt sie kopfüber.

Kopfüberfangen von Hühnern

Tierschutzrelevanz des Kopfüberfangens

1,7 Mio. Hühner werden täglich in Deutschland eingefangen und zum Schlachthaus transportiert – und dabei wird geltendes Recht gebrochen! Beim Verladen kommt das sogenannte Kopfüberfangen, eine weit verbreitete, jedoch tierschutzwidrige Praxis, zum Einsatz. Fänger greifen die Tiere an einem oder beiden Beinen und tragen sie kopfüber zu den Transportkisten. Diese Methode verursacht nachweislich erheblichen Stress, akute Atemnot und hohe Verletzungsraten.

Hühner besitzen kein Zwerchfell, wodurch das Gewicht der inneren Organe im kopfüber gehaltenen Zustand direkt auf die Lunge drückt und die Atmung massiv beeinträchtigt wird. Die Tiere reagieren mit panischem Flügelschlagen, was das Risiko von Hämatomen, Frakturen und ausgekugelten Gelenken erhöht. Studien belegen, dass beim Kopfübertragen der Stresshormonspiegel (Kortikosteron) signifikant ansteigt und bis zu 74 % der Hühner heftig mit den Flügeln schlagen.

Konsequenzen des Kopfüberfangens

Atemnot

Hühner haben kein Zwerchfell, daher drücken die inneren Organe auf die Lunge, wenn sie kopfüber hängen.

Panik & Stress

Das Hochheben in der unnatürlichen Position erzeugt bei Hühnern Panik und Stress. Ihre Stresshormone sind erhöht und sie schlagen panisch mit den Flügeln. 

Verletzungen

Vor allem durch das panische Flügelschlagen entstehen Hämatome, Frakturen und ausgekugelte Gelenke.

Warum werden Hühner kopfüber gefangen?

Trotz der erheblichen Belastungen für die Tiere wird diese Methode aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin bevorzugt. In Großbetrieben mit mehreren tausend bis zehntausenden Tieren übernehmen meist externe Fangunternehmen die Verladung. Die Arbeiten erfolgen in der Regel nachts und unter hohem Zeitdruck, weshalb mehrere Tiere pro Hand gegriffen werden. Eine Person kann zwei bis vier Hühner pro Hand tragen. Durch die hohe Anzahl an Hühnern werden diese von den Fängern nicht mehr als Individuen wahrgenommen, was den respektvollen Umgang mit den Tieren beeinträchtigen und zu grober Handhabung führen kann. Das Kopfüberfangen ist übliche Praxis, obwohl es tierschutzkonforme Lösungen gibt.

Video von Tierarzt Dr. Karim Montasser

Das sagt das Gesetz Rechtmäßigkeit des Kopfüberfangens

Das Kopfüberfangen verstößt gegen geltende Tierschutzvorgaben auf nationaler und europäischer Ebene. Bereits die Europaratsempfehlung zur Haltung von Haushühnern (1995) schreibt vor, dass Hühner nicht kopfüber transportiert werden dürfen. Zudem untersagt die EU-Tierschutztransportverordnung explizit das Ziehen und Zerren an Beinen oder anderen Körperteilen, wenn dies mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für die Tiere verbunden ist.

In den Niederlanden wurde das Kopfüberfangen durch ein Gerichtsurteil als rechtswidrig eingestuft, was ein starkes Signal für notwendige Veränderungen auch in Deutschland sendet. Dennoch fehlt es hierzulande bisher an einer konsequenten Umsetzung der bestehenden Vorschriften.

Es kann nicht sein, dass der Großteil der Hühner kopfüber gefangen wird und dabei gegen geltendes Recht verstoßen wird.
Potraitaufnahme von Inke Drosse vor dem Logo des Deutschen Tierschutzbundes
Inke Drossé Leiterin der Abteilung "Tiere in der Landwirtschaft" beim Deutschen Tierschutzbund

Schwierigkeiten bei der Durchsetzung

Amtstierärzt*innen spielen eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung tierschutzrechtlicher Vorgaben, stehen dabei jedoch vor erheblichen Herausforderungen. Ihre Aufgabe, tierschutzwidrige Praktiken wie das Kopfüberfangen zu kontrollieren und Verstöße zu ahnden, wird durch strukturelle und externe Faktoren erschwert.

Ein Kernproblem besteht in der praktischen Kontrolle: Amtstierärzt*innen sind in der Regel nicht bei der Verladung der Hühner anwesend, sondern überprüfen die Transportfähigkeit vorab. Dadurch bleibt die eigentliche Handhabung der Tiere während des Fangens und Verladens oft unbeobachtet. Neben fehlenden Ressourcen sind Amtsveterinär*innen mit begrenzten Kontrollmöglichkeiten und teils erheblichem Widerstand seitens der Geflügelindustrie konfrontiert.

Aufrechtes Fangen - die tierschutzkonforme Alternative

Das aufrechte Fangen ist ein tierschutzkonformeres Verfahren, bei dem die Hühner mit einer Hand um Bauch und Brust gegriffen und stabilisiert werden. Diese Methode wird leider in Deutschland kaum eingesetzt – hauptsächlich aus Gründen der Wirtschaftlichkeit. Studien zeigen, dass das Stressniveau bei den Hühnern dabei deutlich reduziert ist und weniger Verletzungen auftreten. Diese Methode wird bereits erfolgreich in Ländern wie Finnland, Schweden, Brasilien und Thailand angewandt. Zwar dauert das aufrechte Tragen etwa 1,7 mal länger als das Kopfüberfangen, doch lässt sich der zeitliche Mehraufwand durch größere Fangteams kompensieren. Zudem sind die Mehrkosten minimal: Berechnungen zeigen, dass die Umstellung auf das aufrechte Fangen lediglich €0.0005 (=0,05 Cent) pro Ei1 kosten würde – ein marginaler Betrag im Verhältnis zum massiven Tierschutzgewinn. Bei Masthühnern kostet das aufrechte Fangen €0.012 (= 1,2 Cent) mehr pro kg Hühnerfleisch.2

Kopfüberfangen

Stresshormone:
Die Ausschüttung des Stresshormons Kortikosteron ist beim Kopfübertragen höher als beim aufrechten Tragen.3

Flügelschlagen:
74 % der Hühner schlagen beim Kopfübertragen mit den Flügeln. Nur 24 % der Tiere tun dies beim aufrechten Tragen.4

Flügelbrüche:
Bei Masthühnern am Ende der Mastperiode haben 12–15 % der Tiere Flügelbrüche.5

Aufrechtes Fangen

Weniger Stress & Verletzungen:
Beim aufrechten Tragen sind Stress und Verletzungen deutlich geringer.

Andere Länder machen es: 
In Finnland, Schweden, Brasilien und Thailand wird diese Methode bereits erfolgreich angewandt.

Längere Dauer:
Das aufrechte Tragen dauert etwa 1,7 mal länger als das Kopfüberfangen. Durch mehr Fangteams kann jedoch die Gesamtfangzeit reduziert werden.

Nur minimal geringere Mehrkosten: 
Die Mehrkosten pro Ei betragen nur €0.0005 (=0,05 Cent)1  und €0.012 (= 1,2 Cent) mehr pro kg Hühnerfleisch2.

Fangmaschinen stellen eine Alternative zum händischen Fangen dar, sofern sie tierschutzgerecht eingesetzt werden. Sie reduzieren die Verletzungsrate, sind jedoch nicht für alle Haltungssysteme geeignet, insbesondere nicht für Volierenhaltungen.

Informationen für Amtstierärzt*innen

Die rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU und in Deutschland sind klar. Um die Umsetzung des Verbots des Kopfüberfangens zu erleichtern, haben wir hier Informationen und Ansatzpunkte für Amtstierärzt*innen gesammelt:

  • Anordnung des aufrechten Fangens gemäß § 16 Abs. 1 TierSchG: Veterinärbehörden sollten gemäß § 16 Abs. 1 TierSchG anordnen, dass Fangkolonnen ausschließlich das aufrechte Fangen praktizieren. Verstöße können geahndet werden, wobei Bußgelder auf Grundlage der Tierschutztransportverordnung gezielt gegen Transportunternehmen und landwirtschaftliche Betriebe verhängt werden sollten. 
  • Bußgeld laut Tierschutztransportverordnung: Auf Grundlage der Tierschutztransportverordnung kann ein Bußgeld verhängt werden, wenn Hühner kopfüber getragen werden – unabhängig davon, ob nachweislich Schmerzen oder Verletzungen entstanden sind (nach § 21 Abs. 3 Nr. 30 TierSchTrV iVm Anhang 1 Kap III Nr. 1.8 lit der Tierschutztransportverordnung in Verbindung mit § 18 Abs. 3 Nr. 2 a TierSchG). Diese Regelung erleichtert eine konsequente Sanktionierung, da das tierschutzwidrige Fangen der Tiere allein als Verstoß gewertet werden kann.
  • Kostenlose Weiterbildungen:  Am 9. und 10. April 2025 bietet die Akademie für Tierschutz des Deutschen Tierschutzbundes von 14-16 Uhr das kostenfreie Online-Rechtsseminar Rechtsfragen zum Kopfüberfangen von Hühnern - Im Dialog mit Juristen an. Dort haben Sie als Amtstierärzt*in die Gelegenheit, Ihre Fragen zu dem Thema zu stellen. 
Ein Mensch hält zwei Hühner an ihren Beinen "kopfüber" fest.
Dialogforum für Amtstierärzt*innen

Das Kopfüberfangen von Geflügel verstößt gegen nationale und europäische Tierschutzvorgaben. Für Amtsveterinär*innen bieten wir am 09. und 10.04.2025 von 14-16 Uhr das kostenfreie Online-Rechtsseminar "Rechtsfragen zum Kopfüberfangen von Hühnern - Im Dialog mit Juristen" an: Wir erklären die aktuelle Gesetzeslage, Ihre Handlungsmöglichkeiten und diskutieren mit Ihnen zusammen das Vorgehen im Einzelfall, Hinderungsgründe/Stolpersteine und Lösungsansätze. 

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Fachpublikationen des Deutschen Tierschutzbunds

Für ein Ende des Kopfüberfangens

  • Eine konsequente Umsetzung des bestehenden Rechts, bei der Tierhalter*innen, Fangunternehmen und Amtsveterinäre ihren Beitrag leisten. 
  • Schulungsangebote für die aufrechte Fangmethode.
  • Eine Anpassung der Sachkundeschulungen für Geflügeltransporte.
  • Eine Verbesserung der personellen Ausstattung und Rechtssicherheit für Veterinärbehörden.

Keine Eier oder Geflügelfleisch konsumieren. Sie können einen entscheidenden Beitrag zum Tierschutz leisten, indem Sie auf Geflügelfleisch sowie Eier verzichten und stattdessen pflanzliche Alternativen wählen. Mittlerweile bieten Supermärkte eine breite Palette an, darunter Fleischalternativen auf Basis von Erbsen- und Sojaprotein sowie verschiedene Eiersatzprodukte für das Backen und Kochen.

1  Delanglez, F., Watteyn, A., Ampe, B., Segers, V., Garmyn, A., Delezie, E., ... & Tuyttens, F. A. (2024). Upright versus inverted catching and crating end-of-lay hens: a trade-off between animal welfare, ergonomic and financial concerns. Poultry science103(10), 104-118

2 Delanglez, F., Watteyn, A., Ampe, B., Segers, V., Garmyn, A., Delezie, E., ... & Tuyttens, F. A. (2025). Comparing methods for catching and crating broiler chicken flocks: A trade-off between animal welfare, ergonomics and economics. Poultry Science104(2), 104-704

Knowles, TG and Broom, DM (1993). Effect of catching method on the concentration of plasma corticosterone in end-of-lay battery hens. VeterinaryRecord, 133, 527–528.
Kannan, G and Mench, JA, 1996. Influence of different handling methods and crating periods on plasma corticosterone concentrations in broilers. British Poultry Science, 37, 21–31.

4 Wolff, I; Klein, S; Rauch, E; Erhard, M; Mönch, J; Härtle, S; Schmidt, P; Louton, H (2019): Harvesting-inducedstress in broilers: Comparison of a manual and a mechanical harvesting method under field conditions. Appl. Anim. Behav. Sci. https://doi.org/10.1016/j.applanim.2019.104877

5 Langkabel N., Baumann M.P.O., Feiler, A., Sanguankiat, A., Fries, R. (2015): Influence of two catching methods on occurence of lesions in broilers. Poultry Science 94: 1735-1741.

Weitere Informationen:

  • Videoaufzeichnung der Fachveranstaltung „Handle with care“ des Deutschen Tierschutzbundes vom 24.01.2025 im Rahmen der Grünen Woche zum Thema Kopfüberfangen von Hühnern. (YouTube, 2:44:37 Stunden)
  • Delanglez, F., Watteyn, A., Ampe, B., Segers, V., Garmyn, A., Delezie, E., ... & Tuyttens, F. A. (2025). Comparing methods for catching and crating broiler chicken flocks: A trade-off between animal welfare, ergonomics and economics. Poultry Science104(2), 104-704.
  • Louton, H. et al. (2019): Verlademethoden von Masthühnern und ihr Einfluss auf die Tiergesundheit, Tagungsband der 25. Internationalen DVG-Fachtagung zum Thema Tierschutz, S. 343-347.
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  • EFSA –Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (2022): Scientific Opinion, Welfare of domestic bird and rabbits transported in containers, EFSA Journal 20(9), 7441
  • Gerpe, C., Stratmann, A., Bruckmaier, R., Toscano, M. (2021): Examining the catching, carrying, and crating process during depopulation of end-of-layhens. J. Appl. Poult. Res. 30:100-115
  • Gerpe,CMJ Toscano (2023):Solutions to improve the catching, handling, and crating as part of the depopulation process of end of lay hens; Applied Poultry Research.
  • Gocke, A (2000): Untersuchung über den Einsatz einer Hähnchenfangmaschine in Mastbetrieben in Norddeutschland. Vet. med. Diss. TiHoHannover.
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  • Kittelsen, KE, Granquist, EG, Aunsmo, AL, Moe, RO and Tolo, E. (2018). An evaluation of two different broiler catching methods. Animals, 8, 141.
  • Kittelsen, KE, Granquist, EG, Vasdal, G, Tolo, E and Moe, RO (2015b). Effects of catching and transportation versus pre-slaughter handling at the abattoir on the prevalence of wing fractures in broilers. AnimalWelfare, 24, 387–389.
  • Krautwald, Junghanns, M-E (2021), Transport von Hühnern (Gallus gallusf. dom.) zum Schlachthof Sachverständigengutachten
  • LoutonH. et al. (2019): Verlademethoden von Masthühnern und ihr Einfluss auf die Tiergesundheit, Tagungsband der 25. Internationalen DVG-Fachtagung zum Thema Tierschutz, S. 343-347.
  • Marahrens, M, Kleinschmidt N, Di Nardo, A, Velarde, A, Fuentes, C, Truar, A und Dalla Villa, P, 2011. Risikobewertung im Tierschutz – Insbesondere im Hinblick auf den Tiertransport. Präventive Veterinärmedizin, 102, 157–16
  • Millman, C., Christley, R., Rigby, D., Dennis, D., O’Brien, S. J., & Williams, N. (2017). “Catch 22”: Biosecurity awareness, interpretation and practice amongst poultry catchers. Preventive veterinary medicine, 141, 22-32.
  • Wilson, JG and Brunson, CC (1968). The effects of handling and slaughter method on the incidence of hemorrhagic thighs in broilers. Poultry Science, 47, 1315–1318.
  • Wessel , J; Rauch ,E; Hartmannsgruber, S; Erhard, M,; Schmidt, P; Schade, B; Louton, H: (2022), Poultry Science 101:102-127