Neue Tierversuchsregelungen

ad absurdum geführt

Kaninchen im Pyrogentest
Kaninchen im Pyrogentest

Mit dem überarbeiteten Tierschutzgesetz und der Tierversuchsverordnung, die Mitte 2013 in Kraft getreten sind, wurde die EU-Tierversuchsrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Aus unserer Sicht fehlerhaft. Besonders gravierend ist die in Deutschland stark eingeschränkte Prüferlaubnis der Behörden, die für die Genehmigung von Tierversuchsprojekten zuständig sind.

Wir haben daher bereits im Februar 2014 Beschwerde gegen Deutschland bei der EU-Kommission eingereicht. Im Februar 2015 erfolgte eine weitere Beschwerde zu der mangelhaften Durchführung von Kontrollen. Im März 2016 hat die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen ebenfalls ein juristisches Gutachten zur Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie in deutsches Recht veröffentlicht. Das Gutachten listet 18 tierschutzrelevante Verstöße auf, die den Deutschen Tierschutzbund in seiner Rechtsauffassung bestätigen und erneut den Verstoß des Tierschutzgesetzes gegen EU-Recht belegen.

Vertragsverletzungsverfahren eingestellt

Die Überprüfung der deutschen Umsetzung durch die Kommission ist mittlerweile abgeschlossen. Die gute Nachricht: Die EU-Kommission kam zu dem gleichen Schluss wie der Deutsche Tierschutzbund und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, das Tierschutzgesetz zu ändern.

Das Verfahren wurde schließlich im Juli 2022 eingestellt. Die Gründe hierfür sind weder transparent noch nachvollziehbar, da aus unserer Sicht weiterhin gravierende Mängel bestehen. Die in 2021 durch die Bundesregierung vorgenommenen Gesetzesänderungen hatten vordergründig klarstellenden Charakter, mehr Tierschutz wurde nicht erwirkt.

Mehr Rechtssicherheit gefordert

Bereits während der Novellierung des Tierschutzgesetzes hat der Verband wiederholt gefordert, endlich Rechtssicherheit zu schaffen, dass alle Tierversuchsanträge von den Genehmigungsbehörden sorgfältig inhaltlich geprüft werden müssen. Die Bewertung, ob ein Tierversuch unerlässlich und ethisch vertretbar ist, darf nicht weiterhin dem Antragsteller selbst überlassen werden.

Das Staatsziel Tierschutz wurde unter anderem gerade deshalb eingeführt, um die im Grundgesetz verankerte Forschungsfreiheit in genau diesem Punkt einschränken zu können. Die Bundesregierung ignorierte jedoch diese Forderung. Wir haben daher auch unsere Mitgliedsvereine aufgefordert, die Mitarbeit in den sogenannten Ethikkommissionen, die die Genehmigungsbehörden bei der Bewertung von Tierversuchsanträgen unterstützen sollen, auszusetzen.

Kritik an der Überarbeitung der Tierversuchsregelungen

Obwohl wir auf allen politischen Ebenen aktiv waren, damit die neue Tierversuchsgesetzgebung dem Anspruch des Grundgesetzes gerecht wird („der Staat … schützt die Tiere ... durch die Gesetzgebung“), ist das Ergebnis ernüchternd: Die Bundesregierung lässt die Gelegenheit verstreichen, eine neue Ära der tierversuchsfreien Forschung einzuläuten. Tierversuche sind weiterhin prinzipiell als Forschungs- und Prüfmethode erlaubt, lediglich die Durchführung der Versuche wird vorwiegend auf dem Verordnungsweg geregelt.

Es wurde keine der Möglichkeiten genutzt, die die EU-Tierversuchsrichtlinie eröffnet, um Tierversuche in Deutschland über die Mindestvorgaben der EU hinaus einzuschränken. Damit hat die Bundesregierung erneut die Staatszielbestimmung Tierschutz ignoriert. 

Versäumnisse für mehr Tierschutz

Unter anderem hat die Bundesregierung bei folgenden Punkten versagt:

  • Anstatt ein konsequentes Verbot der Verwendung von Menschenaffen festzulegen, sind Ausnahmen möglich.
  • Anstatt ein konsequentes Verbot von Versuchen, die für die Tiere mit schweren und anhaltenden Schmerzen verbunden sind, auszusprechen, dürfen diese durchgeführt werden, wenn der Forscher sie gut genug begründet.
  • Anstatt für alle Tierversuche eine Genehmigungspflicht einzuführen, darf auch weiterhin ein Großteil der Versuche (z. B. solche zur Chemikalien-/Stoffprüfung) nach einem vereinfachten Anzeigeverfahren durchgeführt werden. Dieses wurde mittlerweile lediglich in ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren umbenannt.

Die Bundesregierung hat es auch versäumt, die Förderung der Entwicklung von Ersatzmethoden zum Tierversuch als Zielbestimmung festzuschreiben. So hätte auch sichergestellt werden müssen, dass ZEBET (Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch) im Bundesinstitut für Risikobewertung seine bisherigen Aufgaben, wie die Erforschung und Verbreitung von Alternativmethoden, in vollem Umfang weiterführen kann.

Zudem hat die Bundesregierung die Gelegenheit verstreichen lassen, endlich für Rechtssicherheit zu sorgen und im Gesetz zu verankern, dass alle Tierversuchsanträge von den Genehmigungsbehörden sorgfältig inhaltlich geprüft werden müssen.

Wir bleiben dran

In ausführlichen Stellungnahmen, in persönlichen Gesprächen mit der damaligen Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner sowie im Dialog mit weiteren Politikern haben wir unsere Kritik und unsere Forderungen vorgebracht, die zu einem verbesserten Schutz der Tiere, die zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden sollen, erforderlich sind. Leider hat die Bundesregierung den Großteil dieser Forderungen ignoriert. Wir werden nun weiter kritisch verfolgen, wie die Regelungen in der Praxis angewendet werden.